Espace en flux

Ab Mitte März und bis zu seiner Umnutzung beherbergt das symbolträchtige Gebäude im Bahnhofsviertel an der Ecke Rue de Strasbourg / Avenue de la Liberté das Projekt „Espace en flux“, das Geschichte mit Design verbindet. In den Schaufenstern des leerstehenden Gebäudes sind Illustrationen der Designerin Ruth Lorang, die die reiche Vergangenheit des Gebäudes nachzeichnen, in dem das „Apollo-Theater“, das „Casino de la Gare“, das „Hotel Chicago“ und das „Hotel City“ untergebracht waren. Neugierige Passierende und Geschichtsinteressierte können die von dem Historiker Robert L. Philippart verfassten Texte lesen und so mehr über dieses Gebäude erfahren.

In dem Gebäude an der Ecke Avenue de la Liberté / Rue de Strasbourg waren bereits das „Apollo-Theater“, das „Casino de la Gare“ und später das „Hotel Chicago“ untergebracht. Heutzutage befindet sich dort das „Hotel City“.

Apollo-Theater

Im Jahr 1894 eröffnete der Zirkusbesitzer Fritz Renquin sein „Apollo-Theater“ an der Kreuzung der Rue de Strasbourg und der Place de la Gare. Die Avenue de la Liberté existierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Dieses Theatercafé bot ein umfangreiches Varietéprogramm mit Parodien, Akrobatik, Konzerten, Gesang, Tanz, Eiskunstlauf, Theater, Mikroopern, Film- und Zauberabenden sowie sportlichen Wettkämpfen. John Grun, der stärkste Mann der Welt, war der Star der Saison 1901. Und so folgten in monatlichem Abstand immer neue französische, deutsche oder belgische Künstlertruppen aufeinander.

Die in der „Bürger- und Beamten-Zeitung“ angekündigten Programme, die sich vor allem an die lokale Bevölkerung richteten, wurden morgens und abends angeboten. Für den Erfolg des Theatercafés spricht, dass die Aufführungen gleich an mehreren Tagen hintereinander stattfanden. Eintrittskarten für die Aufführungen wurden in Zigarrenläden in der Oberstadt und in der Avenue de la Gare verkauft.

Der Theatersaal verfügte über Logen und bot Platz für bis zu 440 Zuschauer/innen, im Restaurant wurden Gäste an bis zu 50 Tischen gleichzeitig bedient. Die Küche und die Aufführungen wurden als hochwertig angepriesen, aber immer „zu den besten Preisen“ angeboten. Viele Sport-, Kultur- und Freizeitvereine nahmen hier Platz. Notare veranstalteten öffentliche Auktionen, Vereine hielten beliebte Bälle, Konzert-, Gesangs- und Tanzabende sowie Sportwettkämpfe und Theateraufführungen ab. Das „Apollo-Theater“ / „Casino de la Gare“ war das einzige Theatercafé und neben dem Theater der Stadt Luxemburg, dem Festsaal im „Hôtel de Luxembourg“ in der Altstadt und Fritz Renquins aus Stein gebautem Zirkus auf dem Glacis, der Platz für bis zu 2000 Personen bot, einer der wichtigsten Unterhaltungsorte in der Hauptstadt.

Casino de la Gare

Im Jahr 1899 kaufte Adolphe Amberg Jr. das „Apollo-Theater“. Zur Erweiterung des Grundstücks erwarb er von der luxemburgischen Straßenbahngesellschaft eine benachbarte Parzelle. „Papa Amberg“ war ein bekannter Unternehmer in Luxemburg, der seit 1872 Cafés, Restaurants und Kabaretts im Stadtpark, auf der Place d’Armes, auf dem Glacis und später in der Avenue de la Liberté (Altstadt) betrieb. Mit der Leitung des „Casino de la Gare“ betraute er zwei Kaffeehausbesitzer.

Als die Avenue de la Liberté ausgehend von der Place de la Gare in Richtung der Place de Paris verlängert wurde, kam es zu einigen Enteignungen. Das „Casino de la Gare“ ragte zwar auf den Bürgersteig hinaus, musste aber glücklicherweise nicht umgebaut werden. Das Grundstück wurde jedoch etwas verkleinert. Im Jahr 1903 zerstörte ein Brand die Hälfte des Gebäudes. Amberg war gezwungen, das gesamte Mobiliar zu verkaufen. Im Jahr 1904 beschloss er, sein Grundstück, das inzwischen eine Wertsteigerung von 48 % erfahren hatte, um 62 000 Francs gewinnbringend weiterzuverkaufen. Insbesondere durch die Eröffnung der Avenue de la Liberté war der Wert des Grundstücks erheblich gestiegen.

Hotel Chicago

Frau Pauly, Besitzerin des gegenüberliegenden „Hôtel de Chicago“, erwarb das „Casino de la Gare“ und vermietete 1500 m² an das Kaufhaus „Bazar Champagne“ in der Avenue de la Liberté, das dort Möbel und Musterzimmer ausstellte.

Ab 1907 wurden die Räumlichkeiten vom „Hotel Chicago“ genutzt. Es knüpfte an die Tradition der Theatervorstellungen von Renquin und Amberg an. Um die Attraktivität des Theaters zu erhalten, ließ Frau Pauly 1919 den großen Saal im modernen Stil renovieren. 1922 wurde das Grundstück von J.P. Merten-Kaul aus Niederwiltz erworben, 1926 ging es schließlich an den Hotelier Josef Possamai-Bergamini, der auf dem Gebiet der Gemeinde Hollerich tätig war. Dieser verkaufte es 1932 an Lambert Herneupont, den Betreiber der „City Garage“ in der Rue Joseph Junck, weiter. Im Jahr 1933 hatten die Architekten Jacques Haal aus Grevenmacher und Jean Mackel einen Bauentwurf ausgearbeitet. Das „Hotel Chicago“ stellte im selben Jahr seinen Betrieb ein. In der Presse wurde die Schließung begrüßt. Aufgrund des Widerstands des lokalen Interessenverbands konnte das Projekt jedoch nicht so schnell wie geplant umgesetzt werden. So hatte bis März 1946 der Flaschenhändler „Flesche Jacques“ dort seinen Sitz. Das Café „Al Letzebuerg“ wurde trotz Widerstands des Eigentümers bis April 1949 dort betrieben. Schließlich kündigte das Escher Tageblatt den Abriss der „über das Alignement hinausgebauten alten Schaukelbude [an], welche seit Jahren das Bahnhofsbild verschandelt“ (…) Der Eigentümer und der Wirt haben sich geeinigt. Mit dem Abbruch der alten Mauern wird gleich begonnen, resp. ist schon begonnen worden. Und zum nächsten Jahr wird der sechsstöckige Neubau an dieser Stelle wohl fertig da stehen.“ Somit stand der baldigen Eröffnung des „Hotel City“ nichts mehr im Wege.