Architekturwettbewerb

Im Rahmen der Umgestaltung und Umnutzung des ehemaligen Schlachthofs in Hollerich, dem sogenannten „Schluechthaus“, sammelte die Stadt im September 2019 bei einem Tag der offenen Tür entsprechende Vorschläge der Einwohner/innen, bevor sie im Jahr 2021 ein urbanes und architektonisches Programm für das 2,5 Hektar große Gelände erstellte. Im Bestreben, die starke Identität von Architektur und urbaner Kunst zu bewahren und gleichzeitig einen Ort zu schaffen, der dem kulturellen Schaffen und dem urbanen Sport gewidmet ist, schrieb die Stadt im August 2022 einen europaweiten Architekturwettbewerb aus.

Der Wettbewerb wird in zwei Phasen durchgeführt und soll dazu dienen, ein oder mehrere Architekturprojekte zu finden, die den im Lastenheft festgelegten Anforderungen am besten entsprechen. Im Rahmen der Ausschreibung (erste Phase) wurden sechs Teams ausgewählt, die am europaweiten Architekturwettbewerb (zweite Phase) teilnehmen sollen.

Zweck des Wettbewerbs

Mit Blick auf die Zukunft bekräftigt die Stadt durch dieses Projekt ihre Bestrebungen, dem Gelände des „Schluechthaus“ im Süden der Hauptstadt, das aufgrund seiner Nähe zu den wichtigsten Verkehrsachsen sowie zu mehreren Schulen und zum zukünftigen ökologischen Viertel „Porte de Hollerich“ äußerst günstig gelegen ist, neues Leben einzuhauchen. Für diesen Ort wird Folgendes angestrebt:

  • Schaffung eines generationsübergreifenden und inklusiven Begegnungsortes
  • Entwicklung von Kultur- und Vereinsaktivitäten
  • Erhaltung und Ausbau von Indoor-Aktivitäten im Bereich des urbanen Sports, als Ergänzung zu den Außenanlagen im Petruss-Tal
  • Beibehaltung und Aufwertung der Graffitikultur
  • Aufwertung des vorhandenen und geschützten baulichen Erbes
  • Eingliederung der umliegenden, bestehenden und zukünftigen Viertel durch die Schaffung eines echten urbanen Ortes (Hybridpark)
  • Vorbildhafte Umsetzung der umweltbezogenen Entscheidungen des Projekts

Die Stadt Luxemburg sucht nicht nur ein innovatives und symbolträchtiges Architekturprojekt, das dem Programm, den Anforderungen, Erwartungen und Herausforderungen entspricht, sondern vielmehr einen Partner, der durch seinen Projektentwurf und die Beziehungen, die zu seiner Entwicklung und Reifung aufgebaut werden, den Impetus für die Zukunft dieses Ortes verstärken kann.

Zusammensetzung der Jury

Die Jury setzt sich aus Vertreter/innen der Stadt, des Planungsbüros, des Centre national de la culture industrielle (CNCI), des Institut national pour le Patrimoine Architectural (INPA), des Ordre des Architectes et des Ingénieurs-Conseils (OAI) sowie drei internationalen Expertinnen und Experten zusammen.

Ablauf des Wettbewerbs

Phase I – Bewerbungen

  • Veröffentlichung der Ausschreibung: 29. August 2022
  • Bewerbungsschluss: 10. Oktober 2022
  • Analyse der Vorjury: 10. Oktober bis 9. November 2022
  • Bewertung durch die Jury: 10. November 2022
  • Benachrichtigung der erfolgreichen Bewerber/innen: 14. November 2022

Phase II – Wettbewerb (unter Wahrung der Anonymität)

  • Ortsbegehung mit den ausgewählten Teams und Übergabe der Unterlagen: 21. November 2022
  • Einreichung der Projekte – Niveau ESQ+ („Esquisse plus“): 13. März 2023
  • Analyse der Projekte durch die Vorjury: 14. März bis 14. April 2023
  • Bewertung der Projekte durch die Jury: 19. bis 20. April 2023
  • Öffentliche Ausstellung der Projektentwürfe: 22. April bis 5. Mai 2023
  • Bekanntgabe der Preisträger/innen: Herbst 2023

Die von den Bewerber/innen eingereichten Projekte wurden zunächst von der Vorjury anonym analysiert und danach den Mitgliedern der Jury vorgestellt, die eine Rangliste erstellten. Anschließend wurden sie zwei Wochen lang auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofs öffentlich ausgestellt, wobei auch die Anmerkungen der Jury Erwähnung fanden. Die von der Vorjury gesammelten Anmerkungen der Bürger/innen wurden in einem Bericht zusammengefasst und bei der abschließenden Bewertung vor der Bekanntgabe der Ergebnisse im Mai 2023 berücksichtigt.

Für die zweite Phase des Wettbewerbs ausgewählte Kandidatinnen und Kandidaten

  • Architectes Perry Weber et associés (L) vertreten durch: Pierre Zeytoune
    •  B-Architecten + B-City (B)
  • Metaform Architects (L) vertreten durch: Shahram Agaajani
    • MVRDV (NL)
  • BALLINIPITT architectes urbanistes (L) vertreten durch: Claude Ballini
    • Atelier CONSTRUIRE (FR)
  • Jonas Architecte SA (L) vertreten durch: Corinne Stephany
    • Atelier d’Architecture Pierre Hebbelinck (B)
  • 2001 architecture (L) vertreten durch: Philippe Nathan
    • Civic Architects (NL)
  • Francisco Aires Mateus Arquitectos (P) vertreten durch: Francisco Aires Mateus
    • MORENO Architecture & Associés (L)

Ausstellung der Projektentwürfe vom 22. April bis zum 5. Mai 2023

Die Besucher/innen waren eingeladen, die sechs Entwürfe zu entdecken und zu kommentieren, die nach der ersten Phase des Architekturwettbewerbs für die Umnutzung und Entwicklung des ehemaligen Schlachthofs eingereicht und vom 22. April bis zum 5. Mai 2023 auf dem Gelände des „Schluechthaus“ ausgestellt wurden. Die gesammelten Anmerkungen der Bürger/innen wurden in einem Bericht zusammengefasst und bei der abschließenden Bewertung vor der Bekanntgabe der Ergebnisse im Herbst 2023 berücksichtigt.

Drei Bewerbungen für die nächste Phase des europäischen Wettbewerbs ausgewählt

Bei der Bürgerbefragung wurden einige der eingereichten Entwürfe von der Öffentlichkeit sehr gut aufgenommen, während andere eher gemischte Kommentare hervorriefen. Nachdem die Zusammenfassung der 213 abgegebenen Reaktionen auf die sechs Entwürfe gründlich analysiert und mit den Überlegungen der Jury verglichen worden war, wurden die folgenden drei Entwürfe für die nächste Runde ausgewählt.

Projekt 151207 „S^^^h“

2001 architecture (L) vertreten durch: Philippe Nathan
Civic Architects (NL)

Projekt 170105 „d’Schluechthouse“

Metaform Architects (L) vertreten durch: Shahram Agaajani
MVRDV (NL)

Projekt Nr. 5 – 284001

Francisco Aires Mateus Arquitectos (P) vertreten durch: Francisco Aires Mateus
MORENO Architecture & Associés (L)

Bekanntgabe des Gewinnerteams

Im Rahmen der Ausarbeitung des Projektentwurfs haben die Architekturbüros 2001 und CIVIC insgesamt „16 Grundsätze für eine Gestaltung, die einer Großstadt würdig ist“ angewandt:

1. Kulturelle Hochburg statt Klima-Hotspot

Da das Mikroklima einen wesentlichen Bestandteil von „s^^^h“ bildet, sieht der Projektentwurf des Teams um den Architekten Philippe Nathan eine Überdachung des gesamten Geländes mit Glas vor. Auf diese Weise kann nicht nur die Bausubstanz erhalten, sondern auch ein angenehmes Mikroklima geschaffen werden, wodurch der Standort das ganze Jahr über genutzt werden kann.

2. Perlenkette: Belebung des Stadtbilds

Das Gelände des „Schluechthaus“ ist das Herzstück, das als verbindendes Element zwischen den verschiedenen Landschaften und Unterhaltungsangeboten der Stadtviertel Hollerich und Merl dient, darunter der Merl-Park, das Petruss-Tal und der Campus „Geesseknäppchen“.

3. Kein zusätzliches „Gebäude“ am Standort nötig

Um den Standort in seiner aktuellen Form zu erhalten und vielfältige Möglichkeiten zu gewährleisten, sind im Rahmen dieses Entwurfs keine weiteren Gebäude geplant.

4. Minimale Abrissarbeiten für ein Höchstmaß an Offenbarungen

Um die Struktur des architektonischen Erbes besser zur Geltung zu bringen und das städtische Potenzial des Standorts voll zu erschließen, wird ein Teil der bestehenden, nicht denkmalgeschützten Gebäude abgerissen.

5. Würdigung des Bodens als nicht erneuerbare Ressource

Durch den teilweisen Abriss der bestehenden Bausubstanz wird Bodenfläche frei, die anschließend begrünt werden kann. Mit dieser Änderung der Bodennutzung wird der Flächenversiegelung der Kampf angesagt und der Bildung von Hitzeinseln entgegengewirkt.

6. Verwendung eines negativ behafteten Orts zu positiven Zwecken: die Nachfrage bestimmt das Angebot

In der bestehenden Situation wird der Standort der Forderung gerecht, das Gelände künftig als städtischen Hotspot zu etablieren. Außerdem entsprechen die vorhandenen Flächen und die aktuelle Situation der von der Stadt Luxemburg vorgesehenen Flächennutzung.

7. Bausubstanz als Palimpsest und Träger für Graffiti-Kunst: umgekehrte Mezquita

Bei der Neuinterpretation des Standorts setzen die Designer/innen auf ein von der Mezquita von Cordoba inspiriertes, ganzheitliches Konzept, bei dem das Kulturerbe mit einer schützenden Überdachung versehen wird.

8. Einfache Form, intelligente Anordnung

Durch die einfache rechteckige Form können die Kunstwerke in verschiedenem Maße geschützt und das bestehende Kulturerbe überdacht werden. Die offene Bauweise hat einen positiven Einfluss auf das Bioklima.

9. Neugestaltung des Raums: von der Übereinanderschichtung von Material zum Lebensraum

Die Überdachung schirmt den Standort nicht ab, sondern bildet eine schützende Hülle, durch die ein neuer Raum entsteht.

10. Auf sich verändernde Wetterbedingungen und die diesen zugrundeliegende Klimakrise zugeschnitten

Auch Luxemburg bleibt von steigenden Temperaturen und immer häufiger werdenden heftigen Regenfällen nicht verschont. Das Architektenteam setzt auf moderne Techniken, um der Klimakrise entgegenzuwirken: das Beschattungssystem in Form eines Baldachins dient gleichzeitig als Vorrichtung für die Sammlung von Regenwasser und die Erzeugung großer Mengen an Energie.

11. Eine Oase für eine Stadt der Zukunft anstelle einer Hitzeinsel

Im Rahmen der Neugestaltung des Geländes des „Schluechthaus“ sind nicht nur eine Glasüberdachung mit Baldachin als Beschattungssystem und eine Entsiegelung von Flächen, sondern auch Aufforstungsmaßnahmen in den Parkanlagen im Norden des Standorts vorgesehen. Dies sorgt für eine Verringerung der Hitzebildung in diesem Gebiet und gewährleistet eine hohe Lebensqualität im Stadtviertel Hollerich.

12. SuperHall© – Ein Projekt, das einer wachsenden europäischen Hauptstadt gerecht wird

Das Hauptanliegen des Projekts „s^^^h“ besteht darin, aus bestehenden Mustern auszubrechen und eine Reihe an überdachten öffentlichen Räumen zu schaffen, die eine möglichst vielfältige Nutzung des Standorts gewährleisten.

13. Das Konzept wird durch den Kontext bestimmt: für eine Skatehalle geeignete Hardware/Software

Die zahlreichen offenen Räume, die durch dieses Konzept geschaffen werden, ermöglichen eine Vielzahl spezieller Einrichtungen, mit denen urbanen Sportarten und insbesondere dem Skatesport mehr Platz eingeräumt wird.

14. Eine klare Struktur, um verschiedene Teile im städtischen Gefüge miteinander zu vernetzen

Dank seiner Eigenschaften und der Verbindung von Bestehendem mit Neuem weist „s^^^h“ beste Voraussetzungen auf, um sich zu einem echten Mittelpunkt eines aufstrebenden Viertels zu entwickeln, sei es durch die Nähe zu Wohngebieten oder die direkte Anbindung an den Campus „Geesseknäppchen“.

15. Stadtabschnitte und Ablauf der Bauarbeiten

Die Bauarbeiten werden so geplant, dass das Gelände in den aufeinanderfolgenden Bauphasen weiterhin genutzt werden kann.

16. Ambivalenter, zukunftsorientierter Umgang mit dem Kulturerbe: Instandsetzung, Erhalt und Nutzung

Mit dem Projekt „s^^^h“ werden zwei unterschiedliche Zugänge zum Kulturerbe verfolgt, wobei Kunst und urbaner Sport idealerweise in Symbiose mit den Aktivitäten zum Erhalt des Kulturerbes stehen. Einerseits soll das „Schluechthaus“ mit seinen überdachten, aber dennoch frei zugänglichen Ruinen weiterhin ein Hotspot für Graffiti-Kunst in der Hauptstadt bleiben, andererseits soll durch die Sanierung und Instandsetzung der Gebäude eine Nutzung des Standorts als Coworking-Space durch Vereine und die Stadtverwaltung ermöglicht werden.

Der Beurteilung der Jury zufolge weist das Projekt folgende Stärken und Schwächen auf:

Stärken:

  • Intelligente Lösung angesichts der mit aktuellen und künftigen Klimaproblemen, der Energiekrise, dem Umgang mit Wasserressourcen und dem Bevölkerungswachstum verbundenen Herausforderungen
  • Erfüllung der Anforderungen der Stadt Luxemburg
  • Schutz und Erhalt des vorhandenen Kulturerbes
  • Stärkung der zusätzlichen und sich im Laufe der Zeit wandelnden Funktionen des Standorts
  • Schaffung eines Orts mit Symbolcharakter für die Hauptstadt und das Großherzogtum Luxemburg, der sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ein hohes Attraktionspotenzial bietet
  • Ermöglichung einer ganzjährigen Nutzung durch Schaffung eines überdachten Geländes mit angenehmen klimatischen Bedingungen
  • ansprechende Gestaltung des Standorts durch Begrünung des Geländes und seiner Umgebung
  • gute Integration des Projekts in das Stadtbild durch Anpassung der Höhe an die angrenzenden Bauten (Campus „Geesseknäppchen“ und „Porte de Hollerich“)
  • Einsatz moderner Technologien, die sich in anderen Ländern bereits bewährt haben

Schwachpunkt:

  • Von außen gesehen kann die Glasüberdachung etwas wuchtig und abweisend wirken

„s^^^h“ sieht sich als Projektentwurf für die Stadt von morgen, insbesondere in den Bezug auf ökologische, energetische sowie kulturelle Aspekte. Mit diesem Projekt soll auf dem Gebiet der Hauptstadt ein echtes Wahrzeichen der urbanen Kultur geschaffen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt steht das Projekt „s^^^^h“ noch nicht in allen Einzelheiten fest. Um die Anforderungen der Stadt Luxemburg – insbesondere in Bezug auf technische Gesichtspunkte – umfassend zu erfüllen, sind vonseiten des Architekten und des Planungsbüros noch zahlreiche weitere Studien zu erstellen.

NÄCHSTE SCHRITTE

Nach Bekanntgabe des Gewinnerprojekts unterzeichnet die Stadt in einem ersten Schritt die erforderlichen Verträge mit den an der Ausarbeitung von „s^^^h“ beteiligten Architektur- und Planungsbüros. In den nächsten Monaten werden politische Entscheidungsträger und Vertreter/innen der betroffenen städtischen Dienststellen ähnliche Bauwerke im Ausland besichtigen, um eine genaue Vorstellung von den technischen Herausforderungen zu bekommen, insbesondere was Akustik, Beleuchtung und Temperaturregelung angeht.

Darüber hinaus wurde das Projekt der Kommission für Stadt- und Wirtschaftsentwicklung (Commission Développement urbain et économique) vorgestellt und am 24. September 2023 fand im Beisein des Architektenteams eine Informationsveranstaltung für die Anwohner/innen im „Schluechthaus“ statt.